Ethische Gründe, vegan zu sein

Es gibt sehr viele verschiedene Gründe, vegan zu werden. In diesem Blog will ich zentrale ethische Beweggründe darlegen, aufgrund derer sich Menschen zu Recht dazu entscheiden, auf tierische Produkte gänzlich zu verzichten. Bei vielen Menschen geben neben gesundheitlichen vor allem ethische Hintergründe den Anstoss zur Umstellung auf eine Vegane Ernährung oder Lebensweise. Was genau steckt dahinter, wie lauten die Argumente? Ist es nicht das Recht des Menschen, Fleisch, Milchprodukte und Eier zu konsumieren? Weshalb schauen Veganer nicht einfach für sich selbst und lassen andere in Ruhe? Haben Argumente aus ethischer Sicht immer mit (nicht-menschlichen) Tieren zu tun?

Die willkürliche Unterteilung in Haus- und Nutztiere

Zunächst möchte ich gerne ein paar Grundgedanken zu unserem Verhältnis gegenüber Tieren formulieren. In unserer westlichen Gesellschaft haben wir ein sehr spezielles Verhältnis zu Tieren. Wir tendieren dazu, diese in zwei verschiedene Gruppen einzuteilen. Einerseits wären da die Haustiere, welche wir süss und knuffig finden, als Begleiter und Weggefährten wählen und teilweise (fast) so sehr lieben wie unsere menschlichen Artgenossen. Dazu zählen wir in erster Linie Hunde und Katzen, manche auch Pferde, Vögel und kleine Nagetiere. Es würde uns nie im Traum in den Sinn kommen, unseren Haustieren Leid zuzufügen, und wenn wir sehen, wie jemand anderes dies tut, dann geraten wir in Rage und rufen Tierschutzorganisationen auf den Plan. Auch für Nationen, wo Hunde und Katzen gegessen werden, haben wir wenig Verständnis. Das jährliche Yulin Dog Meat Festival ist uns ein Dorn im Auge.

Auf der anderen Seite sind da die Tiere, welche wir als „Nutztiere“ betrachten. Diese Kategorie umfasst bei uns in der Schweiz primär Rinder, Schweine, Hühner, Schafe und Ziegen. Diese Tiere dienen einem eindeutigen wirtschaftlichen Zweck. Sie existieren nur, damit wir sie oder ihre Körpersekrete konsumieren können. Sie sind, so gesehen, nur Ware und haben den gleichen Status und Stellenwert wie irgendein lebloses Konsum- und Handelsgut.
Wenn jemand auf offener Strasse einem Hund die Kehle aufschlitzen wollte, was wäre wohl die allgemeine Reaktion der Passanten? Richtig – sie würden versuchen, dies aufzuhalten. Was, wenn es statt des Hundes ein junges Kalb wäre? Die Reaktion wäre wohl genau die Gleiche. Jeder mental und emotional gesunde Mensch würde auch in diesem Fall versuchen zu verhindern, dass dieses unschuldige, hilflose Wesen so kaltblütig ermordet wird. Dennoch geschieht genau dies jeden Tag. Der einzige Unterschied ist, dass es nicht auf offener Strasse passiert, sondern hinter den Mauern von Schlachthäusern, wo es die Konsumenten nicht sehen müssen, wo sie es ausblenden und verdrängen können. Wohlgemerkt sorgen eben diese Konsumenten nichtsdestotrotz mit ihrem Geld dafür, dass genau das, was sie auf der Strasse aufzuhalten versuchen würden, anderswo stattfinden kann. Wer Fleisch, Milchprodukte und Eier kauft, muss sich bewusst sein, dass er sich zum Komplizen macht. Ohne das Geld der Konsumenten könnte kein Schlachtbetrieb seine Praktiken fortführen. Dadurch, dass wir diese Produkte in den Supermärkten kaufen, erhalten wir die Nachfrage aufrecht, und solange es eine Nachfrage gibt, wird es auch ein Angebot geben.

Die ständige Verfügbarkeit von Fleisch- Milch- und Eierprodukten in der Schweiz hat den Preis, dass jährlich grob 57,5 Millionen Geflügeltiere[1], 2,7 Millionen Schweine, 392‘000 ausgewachsene Rinder, 235‘000 Kälber, 211‘000 Schafe, 33‘000 Ziegen und 2‘700 Pferde geschlachtet werden (Pro Sekunde zwei Lebewesen).[2]
Dies macht jeden einzelnen Tag im Jahr 157‘800 Geflügeltiere, 1074 Rinder, 643 Kälber, 7‘516 Schweine, 577 Schafe, 92 Ziegen und 7 Pferde, welche ihr Leben verlieren.
Jeden. Einzelnen. Tag!!!
Diese Zahlen variieren jedes Jahr ein Wenig, geben aber eine grobe Vorstellung vom Ausmass dieses institutionalisierten Massenmordes.
Alle diese Tiere haben etwas gemeinsam: Sie werden viel zu früh und gegen ihren Willen aus dem Leben gerissen.

Das Recht des Stärkeren?

Man könnte hier einmal eine sehr grundsätzliche Frage stellen: Was gibt uns das Recht, über das Leben anderer Tiere zu entscheiden? Sind wir nicht einfach eine Tierart unter vielen? Heisst weiter entwickelt zu sein wirklich, dass wir entscheiden dürfen, wer lebt und wer nicht? Dass wir jedes Jahr viele Millionen (weltweit gesehen Milliarden) von Tieren heranzüchten dürfen, die keinem anderen Zweck dienen, als nach Strich und Faden ausgenutzt und dann schliesslich getötet zu werden? Ist „das Recht des Stärkeren“ wirklich eine legitime Haltung, mit der man jegliche Grausamkeit rechtfertigen kann? Ist das ethisch vertretbar? Selbst, wenn die Konsequenz davon wäre, dass man sich nur noch von Früchten und Gemüse ernähren könnte, müsste die Antwort auf diese letzte Frage klar mit Nein beantwortet werden.

Nun ist es aber zusätzlich sogar noch so, dass für die allermeisten tierischen Produkte absolut leckere und teilweise in Sachen Konsistenz und Aussehen im Vergleich zu ihren tierischen Pendants verblüffend ähnlich wirkende Alternativprodukte existieren. Diese würden es selbst den eingefleischtesten (Achtung Wortspielalarm) selbsternannten Omnivoren schwer machen, noch gute Argumente für eine Fortführung der bestehenden Praktiken zu finden. Dafür müssten sie diese genannten Alternativprodukte allerdings zunächst überhaupt probieren. Und hier liegt aktuell leider noch ein entscheidender Punkt. Viele Leute wollen solche Produkte lieber gar nicht erst kosten, ja, ekeln sich teilweise gar davor! (Was für ein Hohn, wenn man sich überlegt, was in vielen tierischen Produkten tatsächlich drin ist…)

Oft kommt es auch vor, dass „konventionelle Esser“, welche vegane Alternativen probieren, zugeben, dass diese eigentlich ganz ordentlich schmecken. Ganz, so geht die Argumentation dann häufig weiter, komme es dann aber doch nicht an das „Original“ heran. Dieser oftmals selbst von diesen Personen als klein bezeichnete Unterschied soll also als Rechtfertigung dafür genügen, weiter diejenigen Produkte zu konsumieren, welche so viel Leid verursachen? Ist diese Argumentation stimmig, nachvollziehbar, ethisch vertretbar? Ich lasse die Beantwortung dieser Frage mal offen. Meine Haltung dazu sollte klar sein.

Jedem das Seine?

Einer der häufigsten Sätze, welchen man als Veganer immer wieder zu hören bekommt, ist in etwa folgender: „Es ist ja gut und recht, wenn du vegan sein willst, und ich akzeptiere das auch, aber ich selbst will nicht überzeugt werden. Jedem das Seine.“ Nun, ‚jedem das Seine‘ impliziert, dass alle involvierten Parteien mitreden können. Was ist also mit den Tieren? Sie, die sie mit Abstand am meisten betroffen sind, haben kein Mitspracherecht. Entspricht dies den Grundsätzen von ‚jedem das Seine‘? Jedem das Seine aber dem Tier nicht sein Leben? Dürfen wir Menschen wirklich so grenzenlos egoistisch sein, dass ein paar Minuten Gaumengenuss ein Tierleben voller Leid rechtfertigen können?

Um diese Haltung nachvollziehen zu können, muss man Tiere natürlich als die fühlenden, emotionalen Wesen sehen, die sie sind, und nicht als Güter, wie sie von der Industrie angesehen und behandelt werden. Erst, wenn man ein Tier als Individuum ansieht, kann man auch verstehen, weshalb ihm eigene Rechte zustehen. Hat man diese Haltung allerdings einmal angenommen, fällt es schwer, weiterhin hinter der Nutztierhaltung zu stehen. Denn diese ist nichts anderes als ein lebenslanges Versklaven und Ausnutzen von intelligenten Wesen, die nur auf diese Welt gebracht wurden, um den Menschen als Nahrungsspender zu dienen.

Noch einmal sei hier betont, dass diese Form der Nahrungsproduktion heutzutage schlicht nicht mehr nötig ist. Es mag Zeiten gegeben haben, wo unsere Vorfahren auf die Nutztierhaltung angewiesen waren, um zu überleben. Da dies heute aber nicht mehr so ist, ist es aus ethischer Sicht umso verwerflicher, diese weiterhin zu betreiben und damit so viel Leid anzurichten. Wenn ich darüber Bescheid weiss, wie ein nicht-veganer Lebensstil ein unterdrückerisches System des Massenmordes unterstützt, meinen Planeten zerstört und auch unter Menschen zu so viel Leid führt; ist es dann nicht fast schon meine Pflicht, mich dafür einzusetzen, dass mehr Menschen davon erfahren und mithelfen, diese Missstände zu beseitigen?

Auch menschliche Tiere leiden unter dem Status Quo

Dass die Nutztierhaltung längst nicht nur für die Tiere selbst üble Folgen hat, ist den wenigsten bewusst. Dabei hat die nutztierbasierte Landwirtschaft neben gravierenden Auswirkungen auf unsere Umwelt (Worauf in einem anderen Blog-Beitrag genauer eingegangen wird) auch auf die Menschen direkt Einfluss. Es wird angenommen, dass zwischen 2014 und 2016 weltweit rund 795 Millionen Menschen an chronischer Unterernährung gelitten haben[3] (Das ist jeder neunte Mensch auf diesem Planeten!). Diese Schätzungen sind höchstwahrscheinlich sogar noch eher tief angesetzt. Ebenfalls ist bekannt, dass die Produktion von Fleisch, Milchprodukten und Eiern wesentlich mehr Ressourcen und Anbaufläche benötigt, wie diejenige von pflanzlichen Produkten. Während also weltweit jeden Tag mehr Menschen Hunger leiden wie die Summe aller Einwohner der USA, Brasilien, Japan und Deutschland zusammengerechnet, nutzen wir im wohlhabenden Westen die vorhandenen Ressourcen lieber für die völlig ineffiziente Produktion von tierischen Produkten, als den Welthunger so effektiv zu bekämpfen, wie es eigentlich möglich wäre. Die Wahrheit ist nämlich, dass es heute weltweit locker genug Ressourcen gäbe, sodass kein Mensch hungern müsste.[4] Es wird stattdessen aber rund ein Drittel von allem Getreide und Soja in die Tierfütterung kanalisiert. Somit ist eigentlich jeder Mensch, welcher heute auf unserer Erde an Hunger stirbt, ein vermeidbares Opfer. Ein Opfer unserer Gier nach Fleisch und Milchprodukten. Ist das aus ethischer Sicht vertretbar?

Gute Dokus zu diesem und ähnlichen Themen rund um Veganismus:

  • Cowspiracy – The Sustainability Secret (2014)
  • Food Choices (2016)
  • What the Health (2017)
  • Gabel über Skalpell / Forks over Knives (2011)
  • Erdlinge / Earthlings (2005)

 

[1] www.swissveg.ch/schlachtzahlenCH

[2] https://www.sbv-usp.ch/de/medien/agristat-aktuell/archiv-2016/110416-definitive-schlachtviehstatistik-2015/

[3] http://www.worldhunger.org/2015-world-hunger-and-poverty-facts-and-statistics/

[4] http://www.huffingtonpost.com/eric-holt-gimenez/world-hunger_b_1463429.html

 

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